27.11.2022 (älterer Beitrag)

Schwedische Delegation besucht SG

Eine vierköpfige Delegation einer Interkulturellen Spracheinrichtung aus der schwedischen Stadt Norrköping besuchte am Donnerstag, 17.11.2022 im Rahmen einer Bildungsreise das Städtische Gymnasium Gütersloh, um einen Einblick in die Integration der ukrainischen Schüler*innen zu erhalten. Im Austausch mit Lehrer*innen und Schüler*innen aus der Ukraine über die jeweiligen Konzepte zur Integration erhielten beide Seiten spannende neue Einblicke in beide Systeme und deren Herangehensweisen.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine haben deutsche Schulen mehr als 150.000 Schüler*innen aufgenommen und mehr oder weniger in den Regelunterricht integriert. Am Städtischen Gymnasium Gütersloh sind es insgesamt 53 Schüler*innen, die mit einem individualisierten Stundenplan in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Musik in der Ukraine-Willkommensklasse und in anderen Stunden in Regelklassen unterrichtet werden. Das Konzept, das in enger Zusammenarbeit zwischen deutschen und ukrainischen Lehrkräften erarbeitet und umgesetzt wurde, wurde nun einer Delegation von Sprachenlehrer*innen aus Norrköping, Schweden vorgestellt.

Das vierköpfige Team der Interkulturellen Spracheinrichtung der Kommune Norrköping, geleitet von Edina Murataqic und Dennis Platin und begleitet von Julian Hollmann und Nadira Vidovic, erhielt Einblick in den Unterricht der Willkommensklassen und kam anschließend mit einzelnen ukrainischen Schüler*innen und Lehrer*innen ins Gespräch.

Ziel der viertägigen Reise der Delegation war ein Austausch über die unterschiedlichen deutschen Konzepte, um den in Schweden fest in den Schulalltag integrierten Herkunftssprachenunterricht weiterzuentwickeln. Dabei besuchten sie verschiedene deutsche Institutionen, die sich mit der Integration ukrainischer Migrant*innen im Bereich Bildung beschäftigen, u.a. eine Grundschule in Köln, eine Realschule in Detmold und zuletzt das SG in Gütersloh. „Wir haben in diesen intensiven und sehr informativen vier Tagen zahlreiche neue Impulse bekommen, die wir für unsere Arbeit in Schweden gut nutzen können“, resümiert Julian Hollmann. Der studierte Sprachwissenschaftler kommt ursprünglich aus Gütersloh, lebt mittlerweile seit vielen Jahren in Schweden und arbeitet dort als Deutschlehrer für Kinder und Jugendliche, deren Muttersprache nicht Schwedisch ist. Dort hat jedes Kind, das zu Hause bilingual oder in einer anderen Muttersprache als Schwedisch erzogen wird, das Recht auf Unterricht in der eigenen Herkunftssprache (der Eltern). Dieser Unterricht wird dann in Absprache mit den Schulen von kommunal angestellten Sprachenlehrer*innen wie Hollmann organisiert.

Am SG nahmen die vier Delegierten aus Norrköping an zwei Unterrichtsstunden der ukrainischen Willkommensklasse teil. Für die Jahrgänge der Klasse 5 und 6 unterrichtete Frau Ambrosius Deutsch, die Jugendlichen der Klasse 9 und 10 konstruierten mit Frau Petkovic in Mathematik Dreiecke. „Besonders beeindruckt zeigte sich die Delegation von der konzentrierten und ruhigen Arbeitsatmosphäre sowie der guten Aussprache im Unterricht in Klasse 5 und 6“, berichtete die stellvertretende Schulleiterin Britta Jünemann im Anschluss. „Auch die Ausstattung der Schule - die Arbeit mit dem Legamaster und iPads, die Fachräume in den Naturwissenschaften oder die moderne Sporthalle - imponierte ihnen nachhaltig“, so Jünemann.

Im anschließenden Gespräch berichteten sieben ukrainische Lernende von ihren Erfahrungen in Deutschland und ihrem Ankommen in einem neuen Land. „Die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern macht mir sehr viel Freude. Ich bekomme sehr viel von den Kindern zurück, auch weil sie und ihre ukrainischen Familien dankbar dafür sind, wie sie am SG aufgenommen wurden. Und auch untereinander hat sich eine gute Gemeinschaft entwickelt. Ich spüre, wie die Kinder aufgelebt sind durch die Normalität an der Schule“, bestätigte Lena Ambrosius, die für die Entwicklung des Konzepts zuständig war, die positiven Erfahrungen in dem Gespräch.

Das gesetzlich verankerte Recht auf die zweisprachige Erziehung aller Schüler*innen, bei denen eine andere Sprache als Schwedisch einen maßgeblichen Einfluss auf ihre Sozialisation ausübt, verdeutlicht auf eindrucksvolle Weise Schwedens Selbstverständnis als Migrationsland. Demnach bestärkte auch das auf möglichst individuelle Organisation der Integration bedachte Vorgehen am SG das schwedische Team im in Hinblick auf ihr eigenes Vorgehen. Die neuen Eindrücke eines anderen Schulsystems lieferten aber im Gegenzug trotzdem zahlreiche neue Impulse und Ideen, die sie mit nach Schweden nehmen und umsetzen wollen. „Es war auch für uns ein sehr interessanter Austausch. Wir würden uns freuen, die Beziehungen aufrechterhalten und aufzubauen“, resümierte Jünemann am Ende des Besuchs. Denn die Aufnahme der ukrainischen Kinder und Jugendlichen sei eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe und das SG sei froh, diesen Schüler*innen eine schulische Heimat bieten zu können.

Von Miriam Grundmeier

 

Mehr Infos zur schwedischen Umsetzung der zweisprachigen Erziehung

Die Interkulturelle Spracheinrichtung der Kommune Norrköping, geleitet von Murataqic und Platin, ist Arbeitgeber für 98 Sprachenlehrer*innen, die Kinder und Jugendliche dann in der jeweiligen Herkunftssprache, aber auch in der Geschichte, der Kultur und der Literatur des jeweiligen Landes unterrichten. Sie müssen also Muttersprachler*innen des jeweiligen Landes sein und auch über umfassende Kenntnisse über das Leben dort verfügen, um den Kindern einen realistischen Einblick zu geben. „Wir vermitteln über die Sprache hinaus Wissen, das notwendig ist, um eventuell in dem Land zu leben und sich zurechtzufinden. So kann neben der schwedischen Schulausbildung die kulturelle Eigenständigkeit gepflegt werden“, berichtet im Gegenzug Hollmann über das schwedische Vorgehen. Zudem ist auch eine individuelle Unterrichtsbegleitung der Kinder möglich, die dann in enger Absprache mit der Schule je nach Bedarf organisiert wird.