19.06.2023 (älterer Beitrag)

Studienexkursion der Jahrgangsstufe EF nach Krakau und Auschwitz im Mai/Juni 2023

Am 29. Mai 2023 machten sich 62 Schüler*innen der Einführungsphase mit dem Bus auf nach Krakau. Sie wurden begleitet von 4 Lehrerinnen und Lehrern: Raik Weizsäcker, Nina Filippczyk, Johanna Uphaus und Britta Jünemann sowie der Schulsozialarbeiterin Linda Hermanns-Janßen. Die Schüler*innen hatten sich monatelang in einem Vertiefungskurs Geschichte auf diese Fahrt vorbereitet. Vor Ort wurden sie von Dr. Gerhard Schüsselbauer vom Gesamteuropäischen Studienwerk in Vlotho betreut, der das Programm organisiert hatte.

Am ersten Tag stand zunächst ein Rundgang durch die alte polnische Königsstadt Krakau an: Das Königsschloss Wawel, die Marienkirche mit dem berühmten Veit-Stoß-Altar und die Jagiellonen-Universität, an der auch Nikolaus Kopernikus gelehrt hatte. Alle waren beeindruckt von der Schönheit dieser Stadt mit dem riesigen Marktplatz und den Tuchhallen und den vielen Menschen und Student*innen, die am Ufer der Weichsel die Sonne genießen konnten.

Am Nachmittag folgte dann die Erkundung des jüdischen Viertels Kazimierz, ein Zentrum der jüdischen Kultur vor 1939. Ein Viertel der Einwohner Krakaus waren damals Juden. Es gibt insgesamt noch sechs Synagogen, aber keine aktive jüdische Gemeinde mehr. Die 64.000 Juden Krakaus waren fast alle im Holocaust ermordet worden. Die Gruppe verweilte auf dem jüdischen Friedhof an der Remuh-Synagoge und konnte in der Synagoge einen Eindruck von der jüdischen Religion und Kultur gewinnen. Heute ist Kazimierz ein modernes und trendiges Studentenviertel, in dem aber die Erinnerung an das jüdische Krakau in vielen Spuren jüdischen Lebens weiterlebt, so z.B. in den koscheren Restaurants und den Buchläden.

Das zweitägige Projekt in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau bewegte die Teilnehmer*innen sehr. In drei Gruppen wurden sie von ausgebildeten Guides vor Ort zunächst durch das Stammlager Auschwitz I, und am nächsten Tag durch das Vernichtungslager Auschwitz II-Birkenau geführt. Im Stammlager erschütterten die Überreste der Opfer, welche die SS den Menschen, die aus allen Teilen Europas nach Auschwitz deportiert wurden, abgenommen hatte: Zehntausende von Schuhen, Koffern, Brillen und Töpfen. Dazu ein riesiger Raum mit Haaren, die den Ermordeten abgeschnitten wurden, um sie weiterzuverarbeiten.

In Auschwitz-Birkenau wurde die Gruppe mit der riesigen Dimension des Vernichtungslagers konfrontiert, das für 100.000 Menschen gebaut wurde. Die Guides führten die Schüler*innen in verschiedene Wohnbarracken und auf die Rampe, auf der die sogenannte Selektion stattfand. Ca. 80% der in Birkenau ankommenden Menschen aus den Transporten wurden sofort nach der Ankunft in den vier großen Gaskammern ermordet und anschließend in den Krematorien verbrannt. Um Spuren zu verwischen, wurden die Gebäude der Krematorien und Gaskammern kurz vor der Befreiung von Auschwitz am 27.01.1945 von der SS gesprengt. Die arbeitsfähigen Menschen wurden ins Lager aufgenommen, wo sie je nach Konstitution wenige Wochen oder Monate überlebten. An einem der Ascheteiche, in die die Asche der Ermordeten gestreut wurde, hielt eine Gruppe eine Gedenkminute ab. Dass hier ein Massenmord stattgefunden hatte, spürten die Schüler*innen und es herrschte während der Führungen durch die Lagerteile eine große Betroffenheit.

Um die Erfahrungen in Auschwitz aufzuarbeiten, fanden im Anschluss an die Führung durch das Lager zwei Workshops statt. Am ersten Tag ging es um das Leiden der Kinder in Auschwitz, um Fluchtversuche, aber auch um die Notwendigkeit des Erinnerns als 11. Gebot: „Du sollst nicht gleichgültig sein.“ Am zweiten Tag reflektierten die Teilnehmer*innen ihre Erfahrungen im Hinblick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Denn wie jede/r Einzelne mit dem Unfassbaren umgehen soll, war ein wichtiges Thema in den Gesprächen. Das darf sich nie wiederholen, darin waren sich die Teilnehmer*innen im Hinblick auf ihre Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft einig.

Am letzten Tag konnten die Schüler*innen das Museum der jüdischen Geschichte Krakaus in der ehemaligen Emaillewarenfabrik von Oskar Schindler besuchen. Schindler hatte mit seiner berühmten Liste ca. 1.200 Juden gerettet, die sonst im KZ Plaszow ermordet oder nach Auschwitz in den sicheren Tod deportiert worden wären. Auf dem Platz der Ghettohelden erinnern heute leere Stühle an die Deportationen und die Räumung des Krakauer Ghettos am 13. März 1943.

Am 3. Juni abends fuhr dann der Bus zurück nach Gütersloh. Die vielen Eindrücke waren sehr nachhaltig, und ließen die Gruppe zusammenwachsen.

Ein Nachtreffen fand dann ca. eine Woche später in der Schule statt. Dort konnten alle Teilnehmer*innen ihre Erfahrungen und Eindrücke noch einmal reflektieren. Während der Fahrt war zudem ein digitales Erinnerungsboard erstellt worden, in dem Gedanken und Emotionen gepostet und festgehalten worden waren. Zudem ließen sich die Schülerinnen und Schüler fotografieren, um ihr Gesicht gegen das Vergessen zu zeigen. Die Gesichter gegen das Vergessen werden als lebendige Erinnerungswand vor der Aula der Schule sichtbar sein und die im letzten Jahr entstandenen Fotos ergänzen.

Im nächsten Jahr wird wieder eine Gruppe des Städtischen Gymnasiums die Studienexkursion nach Krakau und Auschwitz durchführen.

von Britta Jünemann

Hier einige Äußerungen von Teilnehmer*innen der Studienfahrt, die auf unserem digitalen Erinnerungsboard festgehalten wurden:

  • Der Identitätsverlust in Auschwitz war etwas ganz Normales. Die ,,Gefangenen“ wurden nicht mehr als einzelne Individuen gezählt. Angesprochen wurden sie von den Nationalsozialisten nur noch mit ihrer Nummer, welche die Nationalsozialisten ihnen gegeben haben. Kinder wussten teilweise nicht mehr ihre echten Namen, sondern nur ihre Nummern. Darum ist mir klargeworden, welches Glück wir haben, das wir als Individuen gelten und so sein dürfen, wie wir sind.
     
  • Über eine Millionen Menschen starben in diesem Lager. Jede Person hatte eine Geschichte, die an diesem Ort unfreiwillig endete. Das Ausmaß dieses Horrors ist kaum zu begreifen.
     
  • Mir wurde deutlich, dass jeder beeinflusst und manipuliert werden konnte.
  • Wir gingen zwar in die Lagerbereiche, in welchen geschossen wurde, rein, aber wir wussten, dass wir auch heil wieder reinkommen. Die Häftlinge konnten ihre Fußstapfen nur in eine Richtung abdrücken.
  • Das Ausmaß dieser grausamen Massenmorde konnte ich erst so richtig realisieren, als ich die ganzen Haare sowie die Unmengen an Schuhen gesehen habe.
  • Während wir uns über die Hitze beklagt hatten, haben wir daran gedacht, wie es wohl dann erst den Häftlingen ergangen ist.
  • Es waren Menschen mit einem Namen. Jegliche Individualität wurde gestohlen. Wir können diese zwar nicht jedem geben, aber an zwei möchte ich mich noch erinnern, um wenigstens ihnen ein Stück Identität zurückzugeben: Bluma Silberberg und Eva Freund.
  • Kinder wussten teilweise nur ihre Nummer und nicht ihren richtigen Namen. Das ist schrecklich!
  • Das Gelände des Lagers in Birkenau ist so groß, das ist schon beängstigend.
  • Warum, einfach nur warum? Für mich ist es unerklärbar, wie man einfach unschuldige Menschen töten kann.
  • Die Eindrücke kann man gar nicht in Worte fassen.
  • Es war sehr emotional und bedrückend. Trotzdem eine Bereicherung diese Erfahrung machen zu dürfen und zu sehen, wie die Menschen gelitten haben. Einfach unmenschlich!
  • Wir müssen dafür sorgen, dass die Vergangenheit nicht wiederholt wird, indem wir gedenken.
  • Wir dürfen niemals vergessen was passiert ist. Wir müssen uns erinnern.
  • Auch wenn sich die meisten Leute dem Naziregime unterwarfen, gab es einige mutige Leute, die Widerstand leisteten. Sie riskierten ihr Leben, um anderen zu helfen.
  • Mir wurde deutlich, wie froh wir sein können so zu leben, wie wir es uns wünschen, zur Schule gehen zu können, als kleine Kinder spielen zu dürfen und vieles mehr ... Manche Kinder wussten, als sie aus dem Lager herauskamen, nicht mal, was Spielen überhaupt bedeutet.
  • Empathie ist so wichtig und Dankbarkeit für unser Leben.
  • Was mir bewusst wurde: Dankbarkeit, Durchhaltevermögen, auch wenn es warm ist und man kein Wasser hat und einen langen Weg vor sich hat, es gab Menschen, die es schlechter hatten und deren Leben für die Nationalsozialisten nichts zählte.