09.06.2018 (älterer Beitrag)

Landespreis für Lateinschülerinnen und -schüler der Klasse 7d

In diesem Schuljahr hatten sich besonders viele Schülerinnen und Schüler zu der freiwilligen Fachlernzeit Latein angemeldet. Hier sollen Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit bekommen, mit Hilfe ihrer Fachlehrerin/ihres Fachlehrers für eine Unterrichtsstunde in der Woche an ihren Schwächen oder Stärken im Fach Latein zu arbeiten. Im Zuge dessen stellte ich den Bundeswettbewerb Fremdsprachen vor, der die Möglichkeit bietet, im Team von 3-10 Schülern projektorientiert zu arbeiten. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt: es dürfen Krimis, Theaterstücke, Liebesgeschichten, Science Fiction oder Dramen geschrieben und gespielt werden, auch Hörspiele sind möglich. Einzige Voraussetzung ist, das bereits existierende Theater- oder Literaturvorlagen nicht bloß nachgespielt werden dürfen.

Drei Schülerinnen und Schüler waren sofort von der Idee begeistert und konnten noch weitere Schülerinnen und Schüler motivieren, bei diesem Projekt mitzumachen. Auch das Thema war relativ schnell klar, war doch gerade im Lektionstext eine in der Antike aufgeführte Pantomime in groben Zügen beschrieben worden: Das Parisurteil. Hierbei geht es um einen jungen Mann, namens Paris, dem die unangenehme Aufgabe zufällt, einen heftigen Streit unter drei Göttinnen (Venus, Minerva und Iuno) zu schlichten. Bei dem Streit geht es um die Schönheit, und natürlich hält sich jede der drei Göttinnen selbst für unwiderstehlich schön und möchte den Preis in Form eines vergoldeten Apfels in Händen halten. Und so versuchen sie Paris mit allen möglichen Tricks zu bestechen: die eine bietet allumfassende Weisheit, die andere die Weltherrschaft. Paris entscheidet sich für die Göttin Venus als die Schönste, weil sie ihm ihrerseits die schönste Frau, Helena, als Ehefrau anbietet. Das Problem ist jedoch, dass Helena bereits verheiratet ist, so dass Paris, sich ganz auf das Versprechen von Venus berufend, Helena „entführt“ und mit sich nach Troja nimmt, was letztendlich – so der antike Mythos – den trojanischen Krieg ausgelöst haben soll.

Folgende Schülerinnen und -schüler freuen sich über eine Urkunde, ein lateinisches Lesebuch und einen Geldgewinn in Höhe von 150 Euro: Jeweils von links nach rechts, vorne: Melissa Ergün, Erik Kujas, Victoria Fischbach, Maximilian Consdorf, Celine Kauer; Mitte: Jonas Stötzer, Jabil Aksoy, Timm Pham; oben: Jonas Aslan (eingerahmt von Claudia Röhlinghaus und Axel Rotthaus)

vom Brainstorming...

... bis zum Drehbuch, Szene 3

Dieses Parisurteil sollte also in eine moderne Fassung umgeschrieben werden. Dazu wurde zunächst die antike Geschichte in Szenen unterteilt und auch die Rollen verteilt. Gemeinsam wurde dann in den FLZ-Stunden, aber auch an einem Abend auf Spiekeroog an den einzelnen Szenen zunächst auf Deutsch geschrieben. Zeitgleich liefen Vorüberlegungen zur Übertragung ins Lateinische; an der Stelle, an der die Schülerinnen und -schüler mit ihren erst 1,5 Lernjahren an ihre Grenzen stießen, habe ich geholfen, so insbesondere bei der Übersetzung einiger moderner Ausdrücke (z. B. Handy – telephonum; Red Bull – ruber bos; Scheidungsanwalt – advocatus in divortiis).

Es entstand die folgende Handlung (lat.: de iudicio Paridis – fabula antiqua nostrae aetati adaptata): Zur „festus egregius“ wird über Whatsapp eingeladen. Nach Ansicht der Gruppenteilnehmer wird schnell deutlich, dass Discordia nicht eingeladen wurde, und das aus gutem Grund. Denn als sie uneingeladen doch erscheint, gibt es prompt ein Handgemenge mit der Ausrichterin des Festes Thetis. Den anschließenden Streit um den Schönheitspreis unter den geladenen Gästen will Iuppiter entscheiden und wählt Minerva, was seine Frau Iuno veranlasst, ihm mit dem Scheidungsanwalt zu drohen. Als letztendlich Paris die Entscheidung über die schönste Göttin treffen soll, werden ihm unterschiedliche Belohnungen versprochen: das neuste Handy von Iuno, ein Lastwagen voll „ruber bos“ von Minerva, die offensichtlich süchtig nach diesem energiespendenden Getränk ist. Die Entscheidung fällt zugunsten von Venus, die Paris die schönste Frau verspricht, die Paris im Stil eines Frauentausches („mulieres mutantes“) gegen seine eigene eher unscheinbare Frau, die aber hervorragend kochen kann, eintauscht.

Als die wöchentliche Unterrichtsstunde nicht mehr ausreichte, opferten die Schülerinnen und -schüler wie selbstverständlich ihre Mittagspause, die Sprechrollen wurden in den Weihnachtsferien auswendig gelernt. Unmittelbar nach den Weihnachtsferien ging es ans Proben, zunächst szenenweise nach der 6. Stunde im Klassenraum. Kostüme konnten aus dem Kostüm-Fundus der Schule ausgesucht werden, von denen viele lustig und passend waren, zwei Mädchen brachten aber lieber ein Kleid von zu Hause mit. Weitere Requisiten wurden angefertigt: Der erste Apfel ging bereits bald kaputt, da er nicht richtig aufgefangen wurde. Ein Schüler wollte einen weiteren Apfel bemalen und zum zweiten Drehtermin mitbringen, vergaß es aber. In der Not wurde einem Mitschüler ein Apfel abgekauft, mit Aquarellfarbe bemalt und mit einem Fön getrocknet, der nach langem Suchen bei den Sekretärinnen gefunden wurde.

Abschließend gedreht wurde der Film an verschiedenen Orten der Schule: im Meditationsraum, in der Pausenhalle und in der Schulküche. Einige Szenen musste am nächsten Tag noch einmal gedreht werden, da die Lichtverhältnisse nicht passend gewesen waren. Jonas Aslan führte Regie und nahm alles mit seiner Kamera und einem selbst angefertigten Schwebestativ auf. Auch das Schneiden der Szenen, das Einfügen von Whatsapp-Nachrichten zum Mitlesen, das Einspielen von Musik und den Abspann machte Jonas selbst.

So entstand schließlich ein ca. 7 minütiger Film in komplett lateinischer Sprache.

Filmausschnitt: "De iudicio Paridis - fabula antiqua nostrae aetati adaptata"

Im Februar wurde dann alles hochgeladen: der fertige Film, das Drehbuch, eine schriftliche Ausarbeitung zur Entstehung des Films und der von mir ausgefüllte Fragebogen. Danach hieß es Daumen drücken.

Erst im Mai erfuhren wir von dem Juryurteil, die neben der sprachlichen Komponente (mündlich und schriftlich) auch die inhaltliche und mediale Gestaltung bewertete. Wir wurden zur Preisverleihung nach Köln eingeladen!

Am 04. Juni fuhren wir dann zusammen mit einigen Eltern und unserem Schulleiter Herrn Axel Rotthaus nach Köln. In der Aula des altsprachlichen Friedrich-Wilhelm Gymnasiums erfuhren wir, dass unserem Beitrag unter insgesamt 43 eingereichten Teambeiträgen ein zweiter Preis zugesprochen wurde. Ein unglaublicher Erfolg für das Städtische Gymnasium und die Fachschaft Latein! Diese 10 Schülerinnen und -schüler haben gezeigt, dass Latein spannend, unterhaltsam und hoch aktuell sein kann, wenn man sich dem Fach in unkonventioneller Weise nähert.